[Wagner, Richard.] - Liszt, Eduard von, Jurist (1817-1879)
"Abschrift meines Briefes an R. Wagner." Schreiben von Sekretärshand mit eigenhändiger Überschrift, eigenhändigen Korrekturen und Unterschrift Liszts, 14 1/4 Seiten in-8, Wien, 14. 5. 1864. "Verehrter Freund! Es war nach dem 20. Februar d. J., daß Sie mir mündlich und schriftlich die Nothlage eröffneten, welche durch bevorstehende Wechselzahlungen, für welche Sie keine Deckung hatten, für Sie hereinzubrechen drohte. Weder Doctor Standhartner, noch Cornelius, noch ein anderer Mensch wußte Rath, besonders da für Ihre Gläubiger eine Summe von mehr als 15000 fl: nothwendig war ... Ich schlug damals vor, an die Frau Alexander von Schöller zu gehen, welche mit der Liebe für Ihre Kunst auch reiche Geldmittel verbinde ... mir aber gelang es ... im Subscriptions-Wege 1200 fl: für Sie aufzubringen, welche freilich nicht einmal für die ersten Wechsel-Accepte ausreichten. meinen und Dr: Standhardners[!] Bemühungen bei Fürst Esterhazy, Lichtenstein, Baron Sina, Rothschild und anderen blieben völlig erfolglos ..." (Beschreibt den vergeblichen Versuch, eine Verlängerung des am 20. März fälligen Wechsels von Postelberger in der Höhe von 3900 fl: zu erreichen.) "Der Gläubiger wollte nicht, und Sie reisten am 23. April von Penzing ab. Sie wissen, wie viele Schritte ich damals im Stillen machte, um Ihren Ruf zu schonen, und sie vor der Überraschung eines Wechselarrestes zu bewahren. ich constatire hier blos, daß Sie hier nicht bleiben konnten ... Kaum waren Sie fort, meldete sich sofort ein neuer Wechselgläubiger ..." (Es folgen ausführliche Informationen zu den Forderungen weiterer Gläubiger, darunter Wagners Näherin mit mehr als 1300 fl: "für Kleider[,] Unterröcke und andere Frauensachen".) "Mein Bureau und mein Quartier war zu jener Zeit von Ihren Gläubigern förmlich belagert. Unter diesen sehr misslichen Umständen schickten Sie aus der Gegend von Zürich zwar mehrmals Weisungen und Aufträge, aber kein Geld ..." (Schildert die Schwierigkeiten, unter denen der Mietvertrag für Wagners Wohnung in Penzing aufgelöst werden musste; sie wurde auch von seiner Haushälterin Marie Völkl mitbenutzt.) "Ihr Hausherr both uns für die ganze vorhandene Einrichtung 300 fl: an ... Auch in dieser Noth fand ich einen Retter ... " (Berichtet von erfolgreichen Verhandlungen mit Gläubigern.) "Könnte man gegen eine Theilzalung von 1000 fl: noch eine Prolongirung der Glauber'schen Wechsel erwirken, so stand Ihrer beliebigen Rückkehr nach Wien nichts mehr im Wege. Diese Rückkehr zu ermöglichen und jede Publicität in Ihrer Angelegenheit zu verhüten, darauf war unser Augenmerk unverrückt gerichtet ... erwarteten wir die Nachricht von der Prolongirung ... um Ihnen sodann gleich einen triumphierenden Generalbericht zu übersenden. Die Sache kam anders ... Sie sollten durch die öffentlichen Blätter mittelst gerichtlichen Edictes ... zur Verantwortung aufgefordert werden ... Endlich am 10. Mai kamen Sie selbst auf 2 Tage nach Wien, benachrichtigten mich weder von Ihrer Ankunft, noch verlangten Sie mich zu sehen, und reisten wieder ab ... daß Sie Herrn Rebel zum Advocaten Trotter" (der Liszt Bemühungen äußerst negativ beurteilte) "einladen ließen, und ihn, der sich durchaus als Ehrenmann im strengsten Sinne des Wortes benommen hatte ... wie einen Handelsjuden behandelten, das muß ich ernstlich rügen ... Diese gedrängte Darstellung glaubte ich Ihnen, noch mehr aber mir schuldig zu sein. An meiner hohen Bewunderung Ihrer Werke haben die Erfahrungen der jüngsten Zeit nichts geändert ... Ihr ergebener Dr. Ed. Liszt".
Ausführliche Informationen zu Wagners Verschuldung in Wien, die zur Flucht vor seinen Gläubigern führte. Eduard Liszt, Onkel des Komponisten Franz Liszt, vertrat zusammen mit dem Arzt Josef Standthartner (1818-1892) Wagners Interessen in Wien, womit der Komponist aber letzten Endes nicht glücklich war, vor allem wegen des ohne sein Wissen abgewickelten Verkaufs seines Hausrats und seines Érard-Flügels. Nachdem sich Wagner Unterstützung vom Wiener Rechtsanwalt Victor Trotter (1829-1909) geholt hatte und König Ludwig II. von Bayern die Begleichung von Wagners Schulden übernommen hatte, kam auch das gespannte Verhältnis zu Liszt wieder ins Lot. In einem Brief vom 23. 5. 1864 dankt Wagner Liszt ausdrücklich für seine Bemühungen ("Somit Friede, Vergebung und Verzeihung!"), moniert aber auch, dass er auf sein letztes Schreiben an Liszt (vermutlich ist damit ein erschlossener Brief vom 2. 5. 1864 gemeint) keine Antwort erhalten habe. Das lässt wohl die Möglichkeit offen, dass die Reinschrift des vorliegenden Briefs Wagner nicht abgeschickt wurde oder Wagner nicht erreicht hat. - Siehe M. Dürrer (Hrsg.), Richard Wagner: Sämtliche Briefe. Band 16: Briefe des Jahres 1864, besonders Nr. 99 und 149 sowie S. 409-416.
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Order no. 2509-86
€ 950,-