Eigenhändiger Brief mit Unterschrift "Johann", 2 1/4 Seiten, in-8, Vord[ern]b[erg], 9. 12. 1845. - (An den Maler Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld.) "Daß ihr Bild vollendet ist Schrieb mir Körber da dasselbe noch nicht abgesendet wurde, so könnten sie es in der Burg bey mir vielleicht aufstellen[.] Körber übergeben sie die Note. / Ich habe Tschudis ersten Band gelesen, dieß ist einmal ein Reisender welcher erzählt, und nicht durch poetisches Schwätzen ermüdet oder um seine Gelehrsamkeit auszukramen, die ganze litteratur des Gegenstandes hineinziehet; ich freue mich auf die Fortsetzung, so lernet man ein Land und dessen Verhältniße kennen. / Beiliegend ein Brief Craighers - lesen sie alles - das Gedicht hat manche schöne Stelle, nach gemachten Gebrauch geben sie es ... damit ich Antworten, und ihm benachrichtigen könne daß ich die Widmung annehme. / Ich bin nun hier wie wohl mir in meinem stillen Hause ist, kann ich nicht beschreiben ich bereite mich für meinen weiter [?] Aufenthalt in Wien vor. Da wird es viel zu hören noch mehr zu reden geben. Die Zeit fodert das Bekenntniß der Wahrheit ich will es redlich und unumwunden thun, es ist Pflicht schlafende zu wecken, vor Täuschungen zu warnen, wo es bestehet zu Enttäuschen - und zu thätigkeit anzuspornen. Die Welt schreitet gewaltig vor ob zum bösen oder zum Guten dieß lieget in der Hand der Machthaber, ihnen ist es gegeben grosses Wohl oder Namenloses Wehe zu bewirken. Möchte man die Weege des Herren betrachten, sie begreifen, und die Andeutungen die der Vater aller giebt verstehen, beherzigen, und darnach handeln. Weck mit dem Egoismus - und alles unser thun dahin strebend wegen dem ersten höchsten Gebothe, das zweyte restloß zu erfüllen - Wie glüklich und ruhig stünde es um die Menschheit wenn so gedacht und nicht schön gesprochen, sondern aufrichtig gehandelt würde. Allein vor allem muß man sich von den Liedeleyen diser Welt loßreissen - sonst kann man nicht seiner Bestimmung entsprechen. / Meine Frau grüßet sie - wir dürften mit jedem Falle Ende des Monathes eintreffen, vielleicht auch früher dieses hänget von der Ankunft des Russischen Kaisers ab. Leben sie recht wohl." - Wie meist ohne Anrede; Empfänger nach Provenienz bestimmt.
Der aus Königsberg stammende Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld (1788-1853), einer der Hauptvertreter der Malerei der Romantik, lebte seit 1804 in Wien. Nachdem 1818 seine Bewerbung um die Direktorenstelle der Wiener Akademie am Widerstand Metternichs gescheitert war, erhielt er eine Anstellung bei Erzherzog Johann, dessen steirisches Landgut Brandhof er künstlerisch ausgestaltete und den er auch porträtierte. Der Offizier und Schriftsteller Philipp von Körber (1812-1861) gehörte zu den Vertrauten des Erzherzogs und erledigte manche Angelegenheiten für ihn. 1849 wurde er Lehrer für Kriegsgeschichte an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, 1852 Direktor der Orientalischen Akademie in Wien. "Tschudis ersten Band": Der Schweizer Natur- und Sprachforscher, Forschungsreisende und Diplomat Johann Jakob von Tschudi (1818-1889) veröffentlichte damals sein zweibändiges Werk "Peru. Reiseskizzen aus den Jahren 1838-1842" (Erscheinungsjahr laut Verlagsangabe 1846). Der Schriftsteller und belgische Konsul Jakob Nikolaus Craigher (1797-1855) widmete sein 1847 in Triest erschienenes Reisewerk "Erinnerungen aus dem Orient" Erzherzog Johann; welches Gedicht der vorliegende Brief meint, konnten wir nicht feststellen. Aus Craighers bereits 1828 unter dem Pseudonym "Nicolaus" erschienenen Band "Poetische Betrachtungen in freyen Stunden" vertonte Franz Schubert das Gedicht "Die junge Nonne". "Meine Frau": Anna Plochl, Postmeisterstochter in Bad Aussee, war seit 1829 in morganatischer Ehe mit Erzherzog Johann verheiratet; 1850 wurde sie zur Gräfin von Meran ernannt. Der russische Zar Nikolaus I. reiste am 30. Dezember 1845 über Venedig mit der Bahn nach Wien, wo er den Sylvester- und Neujahrstag verbrachte.
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